KI-basierte Prognosemodelle für die hochaufgelöste PV-Erzeugungsprognose
- Marcel Würmli
- 18. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Die europäischen Energiemärkte, einschliesslich der Schweiz, stehen vor erheblichen Herausforderungen: die Gewährleistung der Versorgungssicherheit trotz steigender Abhängigkeit von volatilen globalen Märkten und dem Ausbau fluktuierender erneuerbarer Energien, die Bewältigung hoher Preisvolatilität, die Sicherstellung der Netzstabilität und die Beschleunigung der Marktintegration sowie der Netzinfrastruktur. Der massive Ausbau der Photovoltaik, ein zentraler Pfeiler der Energiestrategie 2050 und der Klimaziele, verschärft diese Herausforderungen aufgrund der wetterabhängigen und schwer prognostizierbaren Stromerzeugung.
Präzise PV-Erzeugungsprognosen, insbesondere mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung für kurzfristige, rollierende Vorhersagen sind daher unerlässlich. Sie ermöglichen einen effizienteren Netzbetrieb, eine verbesserte Marktintegration, die Optimierung von Speicher- und Flexibilitätsressourcen und tragen zur Systemstabilität bei.
Swissgrid erwähnt im Blog-Artikel zu diesem Thema: "Ziel ist es, Prognosen mit hoher regionaler und zeitlicher Auflösung zu erstellen, basierend auf öffentlich verfügbaren Daten zu den in der Schweiz installierten Photovoltaik-Anlagen." Wobei zu erwähnen ist, dass die Verantwortung für die PV-Erzeugungsprognose bei den Erzeugern respektive den Bilanzgruppen liegt und die Minimierung der Regelenergie "bottom-up" gemäss dem Subsidiaritätsprinzip erfolgen sollte.
Die Notwendigkeit präziser PV-Erzeugungsprognosen
Die inhärente Volatilität der PV-Stromerzeugung, die stark von meteorologischen Bedingungen wie Sonneneinstrahlung, Wolkenbedeckung, Temperatur und anderen Faktoren abhängt, ist eine der zentralen Herausforderungen bei der Integration grosser PV-Anteile in das Stromsystem. Diese Volatilität wirkt sich direkt auf den Netzbetrieb, die Marktpreise und die allgemeine Systemstabilität aus.
Genaue und zuverlässige PV-Erzeugungsprognosen sind daher ein unverzichtbares Werkzeug, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Sie sind entscheidend für:
Effizienten Netzbetrieb: Prognosen ermöglichen Netzbetreibern eine bessere Planung und Steuerung der Lastflüsse, ein proaktives Management von Netzengpässen und die Optimierung des Einsatzes von Regelenergie zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität.
Verbesserte Marktintegration: Genaue Prognosen reduzieren die Unsicherheit für Marktteilnehmer (PV-Anlagenbetreiber, Händler, Aggregatoren) und ermöglichen optimierte Gebotsstrategien an den Strommärkten (Day-Ahead und Intraday). Dies führt zu effizienteren Marktergebnissen und geringeren Ausgleichsenergiekosten.
Erhöhung der Systemstabilität und Kostensenkung: Durch die Antizipation von Schwankungen in der PV-Einspeisung kann der Bedarf an teurer Regelenergie und an rotierenden Reserven reduziert werden, was die Gesamtkosten des Systems senkt und die Stabilität erhöht.
Optimierung von Flexibilitätsoptionen: Präzise Prognosen sind fundamental für den effizienten Einsatz von Energiespeichern (z.B. Batterien) und flexiblen Lasten (Demand Response), da sie eine vorausschauende Planung von Lade-/Entladezyklen bzw. Lastverschiebungen ermöglichen.
Wirtschaftliche Planung und Bewertung: Zuverlässige Ertragsprognosen sind auch für die Investitionsentscheidung und Finanzierung von PV-Projekten von grosser Bedeutung.
Besonders relevant für den operativen Netzbetrieb und den kurzfristigen Stromhandel sind hochaufgelöste Kurzfristprognosen. Dies bedeutet Prognosen für die nächsten Minuten bis Stunden (Intra-Hour bis ca. 6 Stunden), die eine hohe zeitliche (z.B. ≤ 1 Stunde, oft 15 oder 5 Minuten) und räumliche (z.B. bis auf 1km2 oder sogar anlagenscharf) Granularität aufweisen und idealerweise rollierend aktualisiert werden.
Solche Prognosen erlauben es, schnell auf Änderungen der Wetterbedingungen, insbesondere der Bewölkung, zu reagieren und operative Entscheidungen zeitnah anzupassen.
KI - basierte Prognosemodelle auf dem Vormarsch
Traditionelle Prognosemethoden, wie physikalische Modelle und statistische Zeitreihenmodelle, stossen bei der Abbildung der komplexen, nichtlinearen und räumlich-zeitlichen Dynamik der PV-Erzeugung an ihre Grenzen, insbesondere bei hoher Auflösung und unter variablen Wolkenbedingungen. Hier bieten KI-basierte Modelle, darunter Machine Learning und insbesondere Deep Learning signifikante Vorteile. Sie können komplexe Muster und Nichtlinearitäten aus grossen Datenmengen lernen, räumlich-zeitliche Abhängigkeiten erfassen und potenziell höhere Genauigkeiten erzielen.
Die Erstellung hochaufgelöster Kurzfristprognosen erfordert eine Vielzahl von Datenquellen, darunter hochaufgelöste Satellitenbilder, numerische Wettervorhersagen, Daten von Bodenmessstationen, bodengestützte Wolkenkameras, historische PV-Erzeugungsdaten und Anlagen-Metadaten. Die Integration dieser Datenquellen ist ein zentraler Trend. Spezifische Herausforderungen liegen in der Modellierung der schnellen Wolkendynamik, der Berücksichtigung von Mikroklima-Effekten sowie der Bewältigung von Datenlatenz und Echtzeit-Verarbeitungsanforderungen.
Vergleichende Studien und Benchmarks zeigen konsistent, dass KI-Modelle, insbesondere fortgeschrittene Deep-Learning-Architekturen, traditionelle Methoden in Bezug auf Genauigkeitsmetriken übertreffen. Allerdings bestehen Limitationen beim Einsatz von KI, darunter der hohe Bedarf an qualitativ hochwertigen Daten, erhebliche Rechenressourcen, die eingeschränkte Interpretierbarkeit und das Risiko von Overfitting.
Aktuelle Forschung und bereits verfügbare kommerzielle Anwendungen demonstrieren das Potenzial von KI, hochaufgelöste (bis zu 1km2, 15min) und genaue Solarprognosen zu liefern. Diese Entwicklungen deuten auf einen Paradigmenwechsel hin, bei dem KI nicht nur zur Nachverarbeitung traditioneller Modelle, sondern zur grundlegenden Wetter- und Solarprognose eingesetzt wird.
Zukünftige Entwicklungen umfassen physikalisch informierte KI, fortschrittlichere Architekturen und eine verbesserte Datenintegration, um die Integration von PV-Strom weiter zu optimieren.
Ausblick
Die Integration grosser Mengen an Photovoltaik-Strom in die Energiesysteme ist ein zentraler Baustein zur Erreichung der Klimaziele und zur Stärkung der Energieunabhängigkeit. Sie bringt jedoch signifikante Herausforderungen für die Netzstabilität, die Versorgungssicherheit und die Preisvolatilität mit sich. Präzise und insbesondere hochaufgelöste Kurzfristprognosen der PV-Erzeugung sind ein unverzichtbares Werkzeug, um diesen Herausforderungen zu begegnen.
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