Virtuelle ZEV und Lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG)
- Marcel Würmli
- 13. Juni 2024
- 3 Min. Lesezeit
Mit dem Mantelerlass – dem die Schweiz am 9. Juni 2024 unter dem Titel «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» zugestimmt hat – werden zwei zusätzliche Möglichkeiten zur Nutzung von selbst erzeugter Elektrizität geschaffen:
Virtueller Zusammenschluss zum Eigenverbrauch
Lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG)
Insbesondere LEG ermöglichen es Endverbrauchern und Erzeugern von Elektrizität aus erneuerbaren Energien sowie Speicherbetreibern, sich unter Inanspruchnahme des öffentlichen Verteilnetzes untereinander mit lokal erzeugtem Strom zu versorgen. Ziel ist es, die lokal erzeugte Elektrizität auch lokal zu nutzen, z.B. innerhalb eines Quartiers oder einer Gemeinde. Dadurch sollen der Eigenverbrauch optimiert und die Energiewende voran-getrieben werden.
Virtueller ZEV
Ein ZEV ist nach heutigem Recht auf physische Leitungsverbindungen angewiesen und darf das öffentliche Netz nicht beanspruchen. Entsprechend ist deren Einsatz in den meisten Fällen auf Neubauten und auch dort zumeist auf einzelne Gebäude oder wenige benachbarte Bauten beschränkt.
Für die Bildung eines virtuellen ZEV wird neu die Benutzung von Anschlussleitungen für den Eigenverbrauch zugelassen. Im Zuge dessen entfällt auch der Grundsatz, dass der Verbrauch des ZEV über einen einzigen Zähler des VNB gemessen wird. Neu soll erlaubt werden, die Messdatenreihen mehrerer Zähler virtuell zusammenzufassen.
Gemeinschaftlicher Eigenverbrauch kann dadurch – vor allem bei bestehenden Gebäuden – ohne Austausch der vorhandenen Stromzähler und ohne Umbau der Netzanschlüsse einfach umgesetzt werden.
Lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG)
Endverbraucher, Erzeuger und Prosumer von Elektrizität aus erneuerbaren Energien sowie Speicherbetreiber können sich zu einer LEG zusammenschliessen. Sie können sich auch über das öffentliche Stromnetz innerhalb dieser Gemeinschaft mit der selbst erzeugten Elektrizität versorgen. Eine LEG kann auch einen oder mehrere ZEV als Teilnehmende einbinden.
Vorausgesetzt bei einer LEG wird insbesondere, dass die Teilnehmer sich im gleichen Netzgebiet, auf der gleichen Netzebene sowie örtlich in einer durch die Verordnung noch zu konkretisierende Nähe befinden. Zudem muss die LEG eine festgelegte Mindestgrösse an Elektrizitätserzeugung im Verhältnis zur Anschlussleistung aufweisen und alle Teilnehmen-den müssen mit einem intelligenten Stromzähler (Smart Meter) ausgestattet sein, wobei die Verantwortung für das Messwesen im Gegensatz zum ZEV beim Verteilnetzbetreiber liegt.
LEG bieten der lokalen Bevölkerung eine Reihe von Vorteilen:
Diese wird vom passiven Stromnutzer zum aktiven Teilnehmer der Energiewende. Durch den Zusammenschluss zu einer Gemeinschaft können Bürger gemeinsam erneuerbare Energien erzeugen, nutzen, speichern und handeln;
Wer lokal erzeugten Strom aus der Elektrizitätsgemeinschaft verbraucht, trägt zur regionalen Wertschöpfung bei und unterstützt das Erreichen von Klimazielen. Der Bedarf an überregionalem Stromtransport sinkt;
Die Region oder Gemeinde wird energieautarker und unabhängiger von grossen Energieversorgern. Preisschwankungen können besser abgefedert werden;
Mitglieder profitieren oft von günstigeren Strompreisen, da verschiedene Abgaben entfallen und die Netzentgelte für den innerhalb der Gemeinschaft gehandelten Strom reduziert sind;
Elektrizitätsgemeinschaften stärken den Zusammenhalt und ermöglichen es, die Vorteile erneuerbarer Energien gemeinschaftlich zu nutzen. Die Mitglieder gestalten ihre Energieversorgung selbstbestimmt mit und sichern gemeinsam eine nachhaltige Versorgung für alle.
Insgesamt ermöglichen es Elektrizitätsgemeinschaften den Bürgern, die Energiewende aktiv mitzugestalten, Kosten zu sparen und die regionale Wertschöpfung sowie die Versorgungssicherheit zu erhöhen.
Gründung einer LEG und Teilnahme daran
Grundsätzlich kann jederman eine lokale Elektrizitätsgemeinschaft (LEG) gründen bzw. daran teilnehmen, zum Beispiel:
Privatpersonen bzw. Endverbraucher, die gemeinsam erneuerbare Energie erzeugen, teilen und verbrauchen möchten. Auch Mieter, die selbst über keine eigene Erzeugungsanlage verfügen, können an einer LEG teilnehmen und von lokal erzeugtem Strom profitieren;
Produzenten von Elektrizität aus erneuerbaren Energien wie Solar- oder Kleinwasserkraft, die ihren überschüssigen Strom lokal, z.B. im Quartier verkaufen möchten;
Betreiber von Energiespeichern, die sich mit anderen Akteuren zusammen-schliessen;
Gemeinden und lokale Behörden;
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
Die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für die Gründung und den Betrieb von LEG müssen noch im Detail erarbeitet werden. Das revidierte Strom-versorgungsgesetz soll dafür die rechtliche Grundlage schaffen. Ziel ist es, dass sich Akteure zusammenschliessen und unter Nutzung des öffentlichen Verteilnetzes lokal erzeugten Strom lokal handeln können.
Die Herausforderungen bei der Gründung einer LEG sind vielfältig. Sie beinhalten, um nur einige zu nennen, folgende
Ziele, die damit erreicht werden sollen;
Rollen und Verantwortlichkeiten innerhalb der LEG;
Teilnehmende, die mitmachen sollen, inkl. einem möglichst guten „Matching“ von Erzeugung und Verbrauch innerhalb der LEG;
Verträge und Prozesse (intern, gegenüber dem Verteilnetzbetreiber);
„gerechte“ interne Verteilung und Verrechnung der selbst erzeugten Energie;
Make or Buy im Bereich der Abrechnung, des Monitorings und der Betreuung der Teilnehmenden.
Herausforderungen für die Verteilnetzbetreiber
Die regulatorischen Vorschriften rund um den virtuellen ZEV bzw. die LEG werden in den nächsten Monaten in einer Verordnung erarbeitet mit dem Ziel, diese per 1. Januar 2025 in Kraft zu setzen.
Vieles ist im Grundsatz bereits bekannt und die Verteilnetzbetreiber tun gut daran, sich bereits heute im Bereich der Strategie, Prozesse/IT sowie der Organisation damit zu befassen.
Sind Sie Verteilnetzbetreiber und benötigen Unterstützung? Wir sind gerne für Sie da.
Beitrag ist sehr hilfreich um sich im Begriff Dschungel zurechtzufinden. Herzlichen Dank Marcel