Mit LEG und ZEV den sinkenden Rückliefertarifen entgegenwirken
- Marcel Würmli
- 14. Sept. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Sept. 2024
Mit dem Mantelerlass – dem die Schweiz am 9. Juni 2024 unter dem Titel «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» zugestimmt hat – werden zwei zusätzliche Möglichkeiten zur Nutzung von selbst erzeugter Elektrizität geschaffen:
Virtueller Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (vZEV)
Lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG)
Derzeit werden durch Politik und Verbände die gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben erarbeitet. Gemäss aktuellen Informationen werden vZEV ab dem 1. Januar 2025, LEG aber erst per 1. Januar 2026 möglich sein.
Nichts desto trotz ist es ratsam, sich als potentieller LEG-Verantwortlicher oder LEG-Teilnehmer (Endverbraucher, Erzeuger, Prosumer, Speicherbetreiber) bereits heute vertieft mit den zusätzlichen Möglichkeiten zu befassen und dies nicht ausschliesslich den EVU zu überlassen:
Die Rückliefertarife werden zukünftig vermehrt auf Basis des Referenz-Marktpreises festgelegt und flächendeckend sinken. Dies bedeutet, dass der Eigenverbrauch durch die zusätzlichen Möglichkeiten erhöht werden sollte;
Durch vZEV können Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch umgesetzt werden, die mit den pZEV aus wirtschaftlichen Gründen nicht realisiert worden sind (z.B. aufgrund der Kosten für den Rückbau von Netzanschlüssen);
Die Gründung und der Aufbau einer LEG bedarf zahlreicher, zeitintensiver Vorabklärungen betreffend der Zusammensetzung der Teilnehmenden (Erzeugung, Speicherung und Verbrauch), der möglichen Integration von ZEVs sowie der anzustrebenden Gesellschaftsform;
Mit dem Verteilnetzbetreiber sind die prozessualen und vertraglichen Themen zu klären, insbesondere auch die Verfügbarkeit von Smart Metern bei den potentiellen Teilnehmenden an der LEG;
Auch ist zu klären, wie die Verwaltung und Abrechnung innerhalb der LEG erfolgen soll und welche Dienstleister im Falle eines Outsourcings eingesetzt werden sollen.
Virtueller ZEV (vZEV)
Ein ZEV ist nach heutigem Recht auf physische Leitungsverbindungen angewiesen (pZEV) und darf das öffentliche Netz nicht beanspruchen. Entsprechend ist deren Einsatz in den meisten Fällen auf Neubauten und auch dort zumeist auf einzelne Gebäude oder wenige benachbarte Bauten beschränkt.
Für die Bildung eines virtuellen ZEV (vZEV) wird neu die Benutzung von Anschlussleitungen für den Eigenverbrauch zugelassen. Im Zuge dessen entfällt auch der Grundsatz, dass der Verbrauch des ZEV über einen einzigen Zähler des VNB gemessen wird. Neu wird erlaubt, die Messdatenreihen mehrerer Zähler virtuell zusammenzufassen. Gemeinschaftlicher Eigenverbrauch kann dadurch – vor allem bei bestehenden Gebäuden – ohne Austausch der vorhandenen Stromzähler und ohne Umbau der Netzanschlüsse einfach umgesetzt werden.
Lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG)
Endverbraucher, Erzeuger und Prosumer von Elektrizität aus erneuerbaren Energien sowie Speicherbetreiber können sich zu einer LEG zusammenschliessen. Sie können sich über das öffentliche Stromnetz innerhalb dieser Gemeinschaft mit der selbst erzeugten Elektrizität versorgen. In einem Verteilnetz können mehrere LEG aktiv sein, eine LEG kann auch einen oder mehrere ZEV als Teilnehmende einbinden.
Vorausgesetzt bei einer LEG wird insbesondere, dass die Teilnehmer sich im gleichen Netzgebiet, auf der gleichen Netzebene sowie örtlich in einer durch die Verordnung noch zu konkretisierende Nähe befinden. Zudem muss die LEG eine festgelegte Mindestgrösse an Elektrizitätserzeugung im Verhältnis zur Anschlussleistung aufweisen und alle Teilnehmenden müssen mit einem intelligenten Stromzähler (Smart Meter) ausgestattet sein. Die Verantwortung für das Messwesen liegt bei der LEG im Gegensatz zum ZEV beim Verteilnetzbetreiber.
LEG bieten der lokalen Bevölkerung eine Reihe von Vorteilen:
Diese wird vom passiven Stromnutzer zum aktiven Teilnehmer der Energiewende. Durch den Zusammenschluss zu einer Gemeinschaft können Bürger gemeinsam erneuerbare Energien erzeugen, nutzen, speichern und verkaufen;
Wer lokal erzeugten Strom aus der Elektrizitätsgemeinschaft verbraucht, trägt zur regionalen Wertschöpfung bei und unterstützt das Erreichen von Klimazielen. Der Bedarf an überregionalem Stromtransport sinkt;
Die Gemeinde, das Quartier wird energieautarker und unabhängiger von grossen Energieversorgern. Preisschwankungen können besser abgefedert werden;
Mitglieder profitieren von günstigeren Strompreisen, da verschiedene Abgaben entfallen und die Netzentgelte für den innerhalb der Gemeinschaft gehandelten Strom reduziert sind;
Elektrizitätsgemeinschaften stärken den Zusammenhalt und ermöglichen es, die Vorteile erneuerbarer Energien gemeinschaftlich zu nutzen.
Die LEG-Teilnehmenden gestalten ihre Energieversorgung selbstbestimmt mit und sichern gemeinsam eine nachhaltige Versorgung für alle.
Integration von pZEV und vZEV in die LEG
Die Möglichkeit, physische und virtuelle ZEV in die LEG zu integrieren, ermöglicht interessante Geschäftsmodelle:
Erhöhung des Eigenverbrauchs insgesamt und innerhalb der integrierten ZEV;
Optimierung der Kosten für die Netznutzung bei entsprechender Gestaltung des vZEV;
Skalierungseffekt im Bereich der Ergänzungsenergie, ggf. kann diese am freien Markt beschafft werden.
Gründung einer LEG und Teilnahme daran
Folgende Akteure können eine lokale Elektrizitätsgemeinschaft (LEG) gründen bzw. daran teilnehmen:
Privatpersonen bzw. Endverbraucher, die gemeinsam erneuerbare Energie erzeugen, teilen und verbrauchen möchten. Auch Mieter, die selbst über keine eigene Erzeugungsanlage verfügen, können an einer LEG teilnehmen und von lokal erzeugtem Strom profitieren;
Produzenten von Elektrizität aus erneuerbaren Energien wie Solar- oder Kleinwasserkraft, die ihren überschüssigen Strom lokal, z.B. im Quartier verkaufen wollen;
Betreiber von Energiespeichern, die sich mit anderen Akteuren zusammenschliessen;
Energieversorgungsunternehmen (EVU) unter Berücksichtigung des Unbundling
Gemeinden und lokale Behörden;
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
Die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für die Gründung und den Betrieb von LEG sind derzeit in Arbeit. Das revidierte Stromversorgungsgesetz soll dafür die rechtliche Grundlage schaffen. Ziel ist es, dass sich Akteure zusammenschliessen und unter Nutzung des öffentlichen Verteilnetzes lokal erzeugten Strom lokal handeln können.
Die Herausforderungen bei der Gründung einer LEG sind vielfältig. Sie beinhalten, um nur einige zu nennen, folgende:
Ziele, die damit erreicht werden sollen;
Rollen und Verantwortlichkeiten innerhalb der LEG;
Teilnehmende, die mitmachen sollen, inkl. einem möglichst guten „Matching“ von Erzeugung und Verbrauch innerhalb der LEG;
Verträge und Prozesse (intern, gegenüber dem Verteilnetzbetreiber);
„gerechte“ interne Verrechnung der selbst erzeugten Energie;
Make or Buy im Bereich der Abrechnung, des Monitorings und der Betreuung der Teilnehmenden.
Herausforderungen für die Verteilnetzbetreiber
Die regulatorischen Vorschriften rund um den virtuellen ZEV bzw. die LEG werden derzeit in einer Verordnung erarbeitet mit dem Ziel, diese per 1. Januar 2025 bzw. per 1. Januar 2026 in Kraft zu setzen.
Vieles ist im Grundsatz bereits bekannt und die Verteilnetzbetreiber tun gut daran, sich bereits heute im Bereich der Strategie, Prozesse/IT sowie der Organisation damit zu befassen.
Sicht vZEV:
Die Prozesse sind grundsätzlich gleich wie beim pZEV
Anpassungen sind erforderlich
o Virtueller anstelle physischer Messpunkt
o Erweiterungen im Stammdaten- und Energiedatenmanagement
Sicht LEG:
Prozesse und Verträge mit der LEG und den LEG-Teilnehmenden
Installation von Smart Metern bei allen Teilnehmenden (innerhalb von 3 Monaten nach Gründung/Anmeldung der LEG)
Tägliche Auslesung der Smart Meter und tägliche Lieferung der Viertelstundenwerte an den LEG-Verantwortlichen
Bestimmung des LEG-Stroms und der Ergänzungsenergie pro LEG bzw. pro LEG-Teilnehmenden
o Zur Abrechnung der normalen sowie der rabattierten Netznutzung
o Zur Abrechnung der Ergänzungsenergie
Abrechnung gemäss LEG-Schlüssel direkt an die Teilnehmenden oder an den LEG-Verantwortlichen im Falle von spezialisierten, LEG-internen Abrechnungsverfahren
Fazit
Virtuelle ZEV und Lokale Elektrizitätsgemeinschaften ermöglichen eine Demokratisierung der Energiewende im Sinne von «lokal erzeugten Strom lokal verbrauchen». Damit insbesondere LEG zu einem Erfolgsmodell werden, sind höhere Rabatte als die derzeit diskutierten 20 bis 30% erforderlich. Gegebenenfalls können auch die Anforderungen von 20% Eigenerzeugung gesenkt werden.
Die Ergebnisse der Verordnung werden zeigen, wie ernst es der Politik und der Branche mit den Lokalen Elektrizitätsgemeinschaften ist.
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